KIT - Karlsruher Institut für Technologie
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Deutschland
Ein Bericht der UN aus dem Jahr 2022 zeigt auf, dass der Bausektor für das Gros aller globalen CO2-Emissionen verantwortlich ist. Die Branche steht unter Handlungsdruck und sollte daher an der Dekarbonisierung sämtlicher Prozesse entlang der Wertschöpfungskette arbeiten – von der umweltfreundlichen Herstellung der Baustoffe über den ökologisch optimierten architektonischen Entwurf bis zur Errichtung von Gebäuden nach den neuesten Effizienzstandards. Eine Stellschraube kann die Reduzierung der CO2-Emissionen im Fuhrpark der Bauunternehmen sein – durch alternative Kraftstoffe.
Die wenigsten Bauunternehmen sind heute in der Lage, ihre Flotten innerhalb kürzester Zeit zu elektrifizieren. Die Auswahl, gerade bei großen Lkws, lässt zu wünschen übrig, die Reichweiten sind noch nicht konkurrenzfähig und die Anschaffungskosten solcher Fahrzeuge hoch. Eine Alternative bietet der Austausch des fossilen Diesels durch einen Kraftstoff aus regenerativen Quellen. Wie gut die sogenannten reFuels in der Praxis abschneiden, hat das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) in Zusammenarbeit mit weiteren Partnern wie z.B. der Logistikabteilung von Porsche und dem Logistikdienstleister Müller - Die Lila Logistik ermittelt. Seit Anfang 2020 wird in einer realen Anwendung ein Dauerlauf-Praxistest im Schwerlastverkehrssektor durchgeführt – basierend auf direkt vergleichbaren Fahrzeugestpaaren.
90 % weniger CO2-Emissionen
Von Müller - Die Lila Logistik werden im Rahmen des Projekts Standard 40 t Lowliner Fahrzeuge von Scania (Typ S410) und MAN (Typen TGX 18.510, TGX 18.430 und TGX 18.400) eingesetzt, samt den dazugehörigen Sattelaufliegern mit 3 m Innenraumhöhe. Mittels der in den Fahrzeugen verbauten Datenlogger werden die Daten zur Auswertung in diesem Projekt ausgelesen.
Mit Neste wurde ein Partner für die Bereitstellung von synthetischem Kraftstoff gefunden. Der im Projekt eingesetzte Neste MY Renewable Diesel wird in die Kategorie HVO-Kraftstoffe nach DIN EN 15940 für paraffinische Dieselkraftstoffe eingegliedert. Nach Angaben von Neste kann der Kraftstoff im Vergleich zu fossilem Diesel B7 bis zu 90 % an CO2-Emissionen reduzieren. Dies erfolgt vor allem durch die Nutzung von 100 % erneuerbaren Rohstoffen. Zudem bietet der HVO100 durch die hohen paraffinischen Anteile eine signifikant reduzierte Partikelemission bei der Verbrennung.
Getestet wurde auf einer Strecke von Ottmarsheim (Ludwigsburg) nach Stuttgart-Zuffenhausen, die auf etwa 85 km Länge hauptsächlich Überlandfahrten beinhaltet. Beim Transport von Produktionsmaterial zum Autobauer Porsche wurden Vergleichspaare der gleichen Lkw-Marke mit nahezu identischem Fahrzeugalter sowie ähnlichen Frachtgewichten und monatlichen Laufleistungen verwendet. Im Zuge des Dauerlaufprojektes wurden ab 2022 acht weitere Lkw auf einer Kurzstrecke von Kornwestheim nach Zuffenhausen implementiert, die einen hohen Anteil an Stadtverkehren mit entsprechend vielen Stop & Go Anteilen auszeichnet. Der gesamte Testablauf erfolgte mit einer ca. hälftigen Mischung aus Gebraucht- und Neufahrzeugen, um potenzielle Sondereinflüsse durch Neufahrzeuge ausschließen zu können.
Keine Nachteile zum konventionellen Diesel
In Summe sind Strecken von deutlich über 1 Mio. km je mit konventionellem Diesel und mit HVO100 zurückgelegt worden. Beim Vergleich der Ergebnisse wird deutlich, dass kein Mehrverbrauch bei den HVO100-Fahrzeugen zu verzeichnen ist. Tendenziell liegt dieser sogar unter dem Verbrauch der dieselbetriebenen Fahr- zeuge. Auch der AdBlue-Verbrauch ist beim alternativen Kraft- stoff etwas geringer. Und in Bezug auf Wartungsaufwände, Service-Intervalle etc. sind keine Unterschiede zwischen beiden Kraftstoffen festgestellt worden. Des Weiteren wurden regelmäßig Öl-Proben der Vergleichspaare von einem zertifizierten Labor auf Kraftstoff-Verdünnung sowie Wasser-, Eisen-, Kupfer- und Rußgehalt analysiert. Auch hier: keinerlei Anzeichen auf negative Auswirkungen durch die Verwendung von HVO100.
Dadurch, dass jedes Lastwagen-Paar auf der gleichen Strecke am gleichen Tag und mit vergleichbarer Beladung eingesetzt wurde, konnte eine bisher nicht erreichte Datenqualität für einen Dauerlaufvergleich erzielt werden. Letztlich konnte dadurch die Tauglichkeit des HVO100-Kraftstoffes zur Treibhausgasreduktion in der Logistik nachgewiesen werden. Kein Fahrzeug musste in irgendeiner Weise speziell konfiguriert werden. Es ist daher davon auszugehen, dass reFuels auch bei Baustellenfahrzeugen für eine signifikante Reduzierung der CO2-Emissionen sorgen können, ohne dass sich die Firmen im gleichen Zug mit Nachteilen konfrontiert sehen müssen. Die Treibhausgasreduktion in der Baubranche kann somit schon jetzt und ohne größere Investiti- onen auf den Lkw-Fuhrpark ausgeweitet werden.