Die Produktivität – also die Wertschöpfung pro Arbeitnehmer oder Arbeitsstunde – zählt zu den zentralen Kennzahlen jedes erfolgreichen Unternehmens und jeder Branche. Ein Bereich, der in Deutschland jedoch seit Jahrzehnten als Sorgenkind gilt, ist das Bauhauptgewerbe. Statt kontinuierlich zu wachsen, hat sich hier das Verhältnis von Output zu Input erheblich verschlechtert: Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes sank die Arbeitsproduktivität im Baugewerbe zwischen 1991 und 2023 um alarmierende 23 %. Im gleichen Zeitraum stieg die Arbeitsproduktivität in der Gesamtwirtschaft um 46 % und im verarbeitenden Gewerbe sogar um 103 %.
Es gibt zahlreiche Gründe, warum der Bausektor – der mit über 6 % zur Bruttowertschöpfung Deutschlands beiträgt und als ein wichtiger Motor der wirtschaftlichen Aktivität gilt – durch fehlende Dynamik bei der Effizienz auffällt. Einer der zentralen, leicht messbaren Faktoren für diese Entwicklung ist die geringe Investitionsbereitschaft der Bauakteure. Nach der Wiedervereinigung haben Bauunternehmen ihre Investitionen in Maschinen und Anlagen – preisbereinigt – um 3,3 % reduziert. Im selben Zeitraum haben Industriebetriebe ihre Investitionen um 23 % erhöht, um ihre ohnehin stark organisierten und automatisierten Prozessketten weiter zu optimieren. Der klassische Fehler, in Zeiten der Baurezession Investitionen zurückzufahren, anstatt antizyklisch zu handeln, hatte schwerwiegende Folgen. Als die Baukonjunktur wieder anzog, fehlten den Unternehmen die nötigen Kapazitäten, um ihre Wertschöpfung nachhaltig zu steigern. Stattdessen setzte man auf Überstunden, neues – teils geringqualifiziertes – Personal und den Einsatz von Subunternehmern. Diese Maßnahmen waren jedoch keine Lösungen, die die Effizienz signifikant verbessern konnten. Selbst in den „fetten Jahren“ von 2006 bis 2020 sank die Produktivität weiter. Heute, angesichts der rückläufigen Bauproduktion, zeigen viele Unternehmen bei Investitionen erneut eine Haltung von Vorsicht und Inaktivität.
Zwar kann angesichts der Komplexität von Bauprojekten die Effizienz einer industriellen Fertigung nicht erwartet werden – insbesondere, da viele Arbeiten unter freiem Himmel und unter Einfluss von Standort- und Wetterbedingungen stattfinden. Dennoch gibt es erhebliches Optimierungspotenzial auf Baustellen. Ein zentraler Ansatzpunkt ist die Digitalisierung, die in vielen Baufirmen dringend vorangetrieben werden muss. Durch den Einsatz digitaler Werkzeuge können Planungs- und Arbeitsprozesse effizienter gestaltet werden, was der Wirtschaftlichkeit einer Baustelle schnell zugutekommt – auch wenn der Schulungs- und Umstellungsaufwand anfangs hoch erscheinen mag. Darüber hinaus lassen sich die Kommunikationsprobleme und Verzögerungen, die bei der Zusammenarbeit verschiedener Gewerke und Subunternehmen auftreten, durch digitale Lösungen reduzieren. Auch wenn der Einsatz von KI den Maurer mit der Kelle nicht so bald ersetzen wird, wird diese Technologie eine Schlüsselrolle bei der Transformation der Branche spielen. Sie wird Bauprojekte grundlegend beeinflussen, indem sie die Art und Weise, wie Planung und Umsetzung erfolgen, revolutioniert und neue Effizienzpotenziale eröffnet.
Viele der Faktoren, die die Produktivität belasten – wie staatliche Überregulierung, Bürokratie, logistische Herausforderungen oder der Arbeitskräftemangel – liegen außerhalb unseres Einflussbereichs. Vieles andere haben wir allerdings selbst in der Hand: mehr industrielles Offsite-Bauen und neue Verfahren wagen, auf Automatisierung und Digitalisierung setzen, den Standardisierungsgrad von Bauwerken erhöhen – all das kann Unternehmen helfen, mit dem Produktionsniveau mitzuhalten, wenn der Markt aus seinem derzeitigen Dornröschenschlaf erwacht.
(Autor: Paul Deder)