Die Transformation der unterirdischen Infrastruktur ist eine der drängendsten Herausforderungen unserer Zeit. Beim 37. Oldenburger Rohrleitungsforum trafen sich die Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung, um über innovative Lösungen für die Städte der Zukunft zu diskutieren. Unter dem Motto „Städte der Zukunft – Transformation der unterirdischen Infrastruktur“ setzte die Veranstaltung am 6. und 7. Februar neue Maßstäbe: Mit einer Rekordbeteiligung von 455 Ausstellern, 1.150 Tagungsteilnehmern, 120 Referenten und Moderatoren sowie rund 5.000 Besuchern bot das Forum eine Plattform für interdisziplinären Austausch und praxisnahe Innovationen.
„Bei der Transformation unserer unterirdischen Infrastruktur handelt es sich um eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit“, sagte Mike Böge, Geschäftsführer des Instituts für Rohrleitungsbau an der Fachhochschule Oldenburg e.V., zum Auftakt der Veranstaltung. „Angesichts des Klimawandels, der Energiewende und der fortschreitenden Digitalisierung müssen wir neue Lösungen entwickeln, um unsere Städte zukunftsfähig zu gestalten.“ Dass diese Aufgabe ein hohes Maß an interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Praxis sowie über die Grenzen einzelner Rohrsparten hinweg erfordert, wurde in den Vorträgen am Eröffnungsabend im Sitzungssaal des ehemaligen Oldenburger Landtagsgebäudes ebenso deutlich wie auf der Pressekonferenz, in den Fachvorträgen und den vielen Gesprächen auf dem Forumsgelände.
Lösungsansätze vorhanden
„Die Wasserver- und -entsorgung unserer Städte steht vor großen Herausforderungen“, sagte Prof. Dr.-Ing. Katharina Teuber, Professorin für Siedlungswasserwirtschaft an der Jade Hochschule und Vorstandsmitglied im Institut für Rohrleitungsbau. „Es geht um Anpassung an den Klimawandel, Modernisierung alter Infrastruktur und Sicherstellung der Versorgungssicherheit. Innovative Ansätze wie digitale Zwillinge, KI-gestützte Systeme und nachhaltige Entwässerungslösungen bieten konkrete Antworten“, ist Teuber überzeugt. Damit befand sie sich mit dem Hausherrn der Veranstaltung im Schulterschluss. „Die Gestaltung der unterirdischen Infrastruktur steht im Zentrum zahlreicher zukunftsweisender Projekte“, so Böge. „Sie verbindet nicht nur technische Innovationen und ökologische Nachhaltigkeit, sondern trägt auch maßgeblich zur Resilienz und Funktionalität unserer Städte bei. Die Digitalisierung, die Energiewende sowie neue Werkstoffe und Technologien schaffen dabei ein dynamisches Umfeld, in dem interdisziplinäre Ansätze unverzichtbar sind.“
Doch warum müssen wir unterirdische Infrastrukturen überhaupt transformieren? Was sind die besonderen Herausforderungen an dieser Stelle und was ist zu tun? Hier geht es vorrangig um die Notwendigkeit einer flächendeckenden Digitalisierung, der Klimafolgenanpassung und der Dekarbonisierung – hochaktuelle Transformationserfordernisse, die momentan im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen. Mit zunehmenden Extremwetterlagen – lange Perioden großer Hitze und Dürre sowie häufige Starkregenereignisse – stehen wir vor der Herausforderung, unsere Städte resilienter zu machen und eine gezielte Klimafolgenanpassung zu betreiben. In diesem Spannungsfeld zwischen einem „zu viel“ und einem „zu wenig“ an Wasser ist es die vordringliche Aufgabe, Menschen und Infrastrukturen vor urbanen Sturzfluten zu schützen und gleichzeitig Versorgungssicherheit herzustellen.
Städte vom Wasser her denken
„Das Wassermanagement vieler urbaner Räume in Deutschland war lange Zeit wasserbaulich geprägt durch eine getrennte Betrachtung von Wasserversorgung und Abwasserableitung“, machte Karsten Specht deutlich. „Es galt vielfach, anfallendes Niederschlagswasser möglichst schnell in leistungsfähigen Leitungssystemen zu fassen und abzuleiten. Wurde Wasser benötigt, spielte gespeichertes Niederschlagswasser nur eine sehr untergeordnete Rolle.“ Das Prinzip der Schwammstadt stehe deshalb für einen Paradigmenwechsel, so der Geschäftsführer Oldenburgisch-Ostfriesischer Wasserverband (OOWV). Statt Niederschlagswasser rasch abzuleiten, würde das Wasser zurückgehalten, um es zu versickern, zu verdunsten oder der Wiedernutzung zuzuführen. Die Maßnahmen trügen dazu bei, die Folgen des Klimawandels und die sich daraus ergebenden Folgen für den Wasserhaushalt abzupuffern.
Netzinfrastruktur neu nutzen
Ebenso stand der Klimaschutz im Fokus. Wir stehen vor der Aufgabe, bis zum Jahr 2045 das Energiesystem zu dekarbonisieren. Stromleitungen sind zu bauen, gleichzeitig stellen molekülbasierte Energieträger wichtige Bausteine dar. Um die bestehende Infrastruktur anzupassen und weiter zu verwenden anstatt komplett neue Netze zu bauen, ist auch hier die Transformation der entscheidende Ansatz. Das bestehende Gasnetz, das derzeit zum Transport von Erdgas verwendet wird, muss genutzt werden, um die sogenannten Neuen Gasen wie Wasserstoff und seine Derivate und Biomethan sicher und effizient zu transportieren. Für Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) ist auf Transportebene das Wasserstoffkernnetz ein wichtiger erster Schritt. „Jetzt muss es darum gehen, auch die Verteilnetzplanung zu realisieren“, so Linke. „Denn nur durch diese Infrastrukturmaßnahme können die rund zwei Millionen Industrie- und Gewerbebetriebe, etwa die Hälfte der Gaskraftwerke und knapp 20 Millionen Haushalte künftig mit Wasserstoff versorgt werden.“ Von zentraler Bedeutung sei es daher, dass Deutschland als Industrieland flächendeckend mit Wasserstoff versorgt würde.
Mehr Digitalität wagen
Aktuell erweisen sich der zunehmende Einsatz digitaler Tools, von KI und intelligenter Sensorik als wirksame Produktivitätstreiber der Branche. Bei allem Nutzen birgt die Digitalisierung allerdings auch technische und soziologische Herausforderungen. Die handelnden Akteure stehen vor der Aufgabe, Prozesse grundlegend neu zu denken und alle Beteiligten davon zu überzeugen, dass digitales Handeln entscheidend zur Steigerung von Effizienz und Nachhaltigkeit beitragen wird. Dabei dürfen jedoch die besonderen Anforderungen der Cybersicherheit nicht außer Acht gelassen werden, die aktuell oft als Hemmnis für die Digitalisierung kritischer Infrastrukturen wahrgenommen werden. Um diesen Bedenken entgegenzuwirken, sind innovative und robuste Sicherheitslösungen erforderlich, die das Vertrauen in digitale Technologien stärken und ihre sichere Implementierung ermöglichen.
Themen wie diese sorgten auf dem 37. Oldenburger Rohrleitungsforum für ausreichend Gesprächsstoff und trugen nicht zuletzt zur Rekordbeteiligung teil. Dementsprechend zogen Mike Böge und Bernd Niedringhaus, Geschäftsführung der iro GmbH Oldenburg, ein positives Fazit: „Das diesjährige Programm umfasste über 30 Themenblöcke, in denen führende Experten ihre Erfahrungen und Visionen teilten. Von der nachhaltigen Sanierung bestehender Netze über die Einführung digitaler Zwillinge bis hin zu spezifischen Themen wie Wasserstoffnetze oder die Nutzung künstlicher Intelligenz im Abwassermanagement – Ziel war es, praxisnahe Impulse für die Transformation zu geben. Das ist gelungen – in den Vortragsreihen ebenso wie in den Messehallen und auf dem Außengelände sowie auf dem „Ollnburger Gröönkohlabend“, der traditionell den ersten Veranstaltungstag beschloss.“