Nach einem mehr als 20-stündigen Verhandlungsmarathon unter dem Vorsitz des Schlichters, Prof. Dr. Rainer Schlegel, konnte zwischen den Tarifparteien am Bau keine Einigung auf neue Branchenmindestlöhne erzielt werden. Vertreten waren die Unternehmen vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und Zentralverband des Deutschen Baugewerbes. Auf der anderen Seite des Tisches saß die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). Die Verhandlungskommission der IG BAU hatte sich für die Annahme des Kompromissvorschlages ausgesprochen.
Lt. der IG BAU kann das bedeuten, dass es zukünftig den branchenspezifischen Mindestlohn I im Baugewerbe - er lief Ende des vergangenen Jahres aus und lag bei 12,85 Euro - nicht mehr gibt und nun der gesetzliche Mindestlohn greift. „Für die Branche ist das eine Katastrophe. Für die harte und schwere Arbeit bei Wind und Wetter genügend Facharbeiter*innen zu finden war schon immer schwer, das wird jetzt noch viel schwieriger werden. Und wir stehen in Deutschland vor Mammutaufgaben: 400.000 Wohnungen pro Jahr sollen entstehen, unsere Brücken sind marode und müssen saniert werden, viele weitere Infrastrukturvorhaben müssen angegangen werden. Verantwortung übernehmen sieht für mich anders aus“, sagt Robert Feiger, IG BAU-Bundesvorsitzender. „Abgesehen davon trifft es wieder die Frauen und Männer, die auf der untersten Lohnstufe stehen und die bei der derzeitigen Inflation ohnehin nicht wissen, wie sie finanziell zu Rande kommen sollen. Ich hoffe, dass die Arbeitgeber noch zur Vernunft kommen und innerhalb der nächsten 14 Tage dem Schlichterspruch zustimmen.“ Die Bundestarifkommission der BAU-Gewerkschaft wird dies aller Voraussicht nach tun.
Der Schlichterspruch des Präsidenten des Bundessozialgerichts Schlegel sieht vor, den Mindestlohn I in diesem, im nächsten und im Jahr 2024 um jeweils 60 Cent zu erhöhen. In den Jahren 2025 und 2026 soll sich die unterste Lohngrenze an der zurückliegenden Teuerungsrate orientieren. Der Mindestlohn II für Facharbeiter*innen im Tarifgebiet West, er lag bis Ende 31. Dezember 2021 bei 15,70 Euro, sollte zum Ende dieses Jahres wegfallen.
Der gesetzliche Mindestlohn liegt derzeit bei 9,82 Euro, steigt am 1. Juli dieses Jahres auf 10,45 Euro und soll ab 1. Oktober bei 12 Euro liegen. Die Tarifvertragsparteien hatten seit Januar dreimal verhandelt, bevor es zu der nun vorerst gescheiterten Schlichtungsrunde kam.
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie sowie der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes sehen den Schiedsspruch skeptisch. Das Volumen sei gemessen an dem Abschluss für die höheren Entgelte vom November 2021 sehr hoch und unterstelle eine gleichbleibende Inflation über drei Jahre. Angesichts der aktuell unsicheren wirtschaftlichen Lage erscheine die Laufzeit zu lang und zudem beschränke die schuldrechtliche Anpassungsvereinbarung die Tarifautonomie.
Der Schiedsspruch wird den Mitgliedsverbänden der Arbeitgeber-Tarifgemeinschaft zur Abstimmung vorgelegt und muss innerhalb einer Frist von 14 Kalendertagen angenommen oder abgelehnt werden.