Im Corona-Jahr 2020 konnte die deutsche Hochbaubranche preisbereinigt noch um 1,1 % wachsen, im laufenden Jahr wird jedoch mit Stagnation gerechnet. Aber schon für 2022/23 prognostiziert die Strategieberatung EY-Parthenon weiteres Volumenwachstum. Zudem wird erwartet, dass die Baupreise auch in Zukunft schneller steigen als die Inflationsrate. Der Anteil der Renovierungen steigt.
Nach einer achtjährigen Wachstumsphase wird die deutsche Hochbaubranche 2021 preisbereinigt eine Pause einlegen, bevor das Wachstum 2022 (+1,4 %) und 2023 (+1,5 %) wieder in Gang kommt. Die hohen Wachstumsraten der vergangenen Jahre, die seit 2016 zwischen +2,5 % und +4,5 % lagen, werden dabei jedoch noch nicht erreicht. Hauptgründe für die Entschleunigung des Wachstums nach Corona sind sinkende Mietrenditen, Kapazitätsengpässe, knapper werdendem Bauland und in der Folge steigende Baukosten. „Die Vergangenheit zeigt, dass sich der Hochbau nach Wirtschaftskrisen zügig erholen kann“ erläuterte Björn Reineke, Partner der Strategieberatung EY-Parthenon.
Die Branche folgt der Entwicklung der Gesamtwirtschaft jedoch leicht zeitversetzt. Daher rechne man für das laufende Jahr nur mit einem minimalen Netto-Wachstum von +0,1 %, bevor der Bau sich wieder erholt.
Wohnungsbau, öffentlicher Bau und Renovierungen treiben Wachstum voran
Wie in den vergangenen Jahren war der private Wohnungsbau auch in 2020 wieder ein wichtiger Treiber für die Baubranche. Viele Ein- und Zweifamilienhausbesitzer nutzten das Corona-Jahr für Renovierungen (+2,5 %) und auch der Neubau stieg weiter an (+1,5 %). Im Zeitraum 2020-2023 erwartet EY-Parthenon jedoch nur noch ein durchschnittliches Wachstum von +1 % pro Jahr. Damit setzt sich die langsame Abschwächung des Wachstumstrends aus den vergangenen Jahren weiter fort. Der gewerbliche Wohnungsneubau legte 2020 sogar um +3,0 % zu. Neben dem nach wie vor erheblichen Wohnungsdefizit hat die anhaltend hohe Nachfrage nach Wohnraum in Ballungszentren ebenso wie die deutlich gestiegene Nachfrage nach Wohnraum im regionalen Umfeld von Großstädten trotz COVID–19 zu weiterem Wachstum geführt. Für die Jahre 2020-2023 prognostizieren die Fachleute nun ein durchschnittliches Wachstum von 1,7 % pro Jahr.
Im öffentlichen Bau wurden die Bauvorhaben, die vielfach bereits vor dem Einsetzen der COVID-Pandemie projektiert waren, zumeist wie geplant durchgeführt. Dadurch war die öffentliche Hand mit einem Wachstum von +4,9 % prozentual das am stärksten steigende Segment im Hochbau des vergangenen Jahres. Einen relativ starken Rückgang verzeichnete allerdings der Wirtschaftsbau: Sowohl beim Neubau (-3,5 %) als auch bei der Renovierung (-2,5 %) wurde das Vorjahresniveau klar verfehlt. Während der Großteil der Segmente wie Einzelhandel, Hotellerie oder Gaststättengewerbe stark von den pandemiebedingten Lockdowns betroffen war, haben nur sehr wenige, wie etwa die Logistik, von der aktuellen Situation profitiert. Entsprechend wenig wurde in Neubauten oder Renovierungen
investiert. Insgesamt schrumpfte der Nicht-Wohnungsbau 2020 um 1,5 %. Dennoch rechnet das Team von EY-Parthenon im Zeitraum 2020-2023 auch für den Nicht-Wohnungsbau mit einer leichten Volumenzunahme von 0,6 % pro Jahr.
In den Vorjahren wurde das Wachstum gleichermaßen von Neubau und Renovierung getrieben. Durch die sinkende Dynamik im Neubau und den vorhandenen Sanierungsbedarf verschiebt sich das Verhältnis: „Wir sehen eine leichte Verlagerung von Neubauvorhaben zu Renovierungen“ beschreibt EY-Parthenon Partner Johannes Zuberer diesen Trend. Für das Renovierungssegment erwarte man in den nächsten drei Jahren eine durchschnittliche jährliche Steigerung von +1,2 %, während der Hochbaumarkt insgesamt 2021-2023 nur um jährlich 1,0 % wachse.
Bau- und Kaufpreissteigerung weiter über Inflation
Die Baupreise aller Segmente steigen bereits seit 2014 zum Teil deutlich stärker als die allgemeinen Verbraucherpreise. „Wir rechnen auch in den nächsten Jahren mit überdurchschnittlichen Preissteigerungen im Baugewerbe“, sagte Axel Schäfer, einer der für den Bausektor zuständigen EY-Parthenon-Partner. Angesichts der unverändert hohen Kapazitätsauslastung und des hohen Auftragsbestands bei den Bauunternehmen seien Preissteigerungen auch in Zukunft zu erwarten. „Die hohen Preissteigerungsraten der vergangenen Jahre werden jedoch wahrscheinlich nicht mehr erreicht werden,“ ergänzte Schäfer. Bereits im Corona-Jahr 2020 fielen die Preissteigerungen mit 1,7 % spürbar geringer aus als im Vorjahr (über 3 %). Auch die Neuvertragsmieten stiegen trotz der Pandemie, da die Neubauten den steigenden Wohnraumbedarf insbesondere in den Ballungszentren weiterhin nicht decken. Die Kaufpreise stiegen allerdings noch deutlicher: Angetrieben durch die niedrigen Zinsen mussten Käufer für eine Eigentumswohnung in Deutschland im Jahr 2020 über 10 % höhere Quadratmeterpreise bezahlen als im Vorjahr.
Im Vergleich zu 2016 hat die Sparquote 2020 krisenbedingt mit +6,4 %-Punkten deutlich zugelegt. Insbesondere Renovierungen, die häufig aus eigenen Ersparnissen finanziert werden, konnten hiervon profitieren. Wohneigentum ist nach Altersvorsorge und Konsum das drittwichtigste Sparmotiv der Deutschen – und das Sparmotiv, das im vergangenen Jahr mit +4,9 % am deutlichsten zulegen konnte.
Weiterhin Kapazitätsengpässe
Die Baubranche blickt weiterhin auf eine sehr hohe Auftragsreichweite von rund vier Monaten und Ende 2020 waren die Auftragsbestände 4 % höher als im Vorjahr. Allerdings sanken die Auftragseingänge insgesamt um -2,5 %, was dem Rückgang im durch die Krise getroffenen Wirtschaftsbau (-9,1 %) zuzuschreiben ist. Wohnungsbau (+4,7 %) und öffentlicher Bau (+1,1 %) haben trotz der starken letzten Jahre noch einmal zugelegt. Den Auftragsüberhang versuchen Bauunternehmungen teilweise durch den Einsatz neuer Bautechniken zu verringern, die eine verstärkte Modularisierung und Industrialisierung in der Gebäudeerrichtung erlauben. Produktivitätsgewinne ließen sich aber auch über die digital gestützte Optimierung von Prozessen realisieren, erläuterte EY-Parthenon-Partner Volkmar Schott: „Digitale Planungs- und Bauprozesse ermöglichen die effizientere Zusammenarbeit zwischen den Gewerken. Damit kann die Baubranche zusätzliche Prozesssicherheit erreichen, die Bauzeit teilweise deutlich verkürzen und die Produktivität steigern.“