Deutschland gilt weltweit als Recycling-Weltmeister. Die von uns in den letzten 40 Jahren aufgebaute Kreislaufwirtschaft wird in vielen Ländern als vorbildhaft angesehen. Zu Recht, denn global gesehen werden die Abfälle aus den Haushalten in mehr als 90 % der Länder immer noch ohne Vorbehandlung deponiert. Währenddessen gehört für uns Recycling zum Alltag: 87 % des Glases, 72 % des Metalls und 67 % der Kunststoffe werden bei uns wiederverwendet. Angesichts dieser Zahlen ist es kein Wunder, dass auch Baustoffe zunehmend in den Fokus rücken, denn sie könnten einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Schonung der natürlichen Ressourcen leisten.
Die Baubranche gehört hierzulande zu den ressourcenintensivsten Wirtschaftssektoren. In der EU entfallen etwa 50 % aller gewonnener Rohstoffe auf den Bau von Gebäuden. Hunderte Millionen Tonnen Steine, Sand und Kies werden jährlich abgebaut – nicht ohne Folgen für den Natur und Landschaftshaushalt. Rund 8.000 Mio. t Beton werden weltweit pro Jahr verbaut. Kein Wunder also, dass ein großer Teil der Rohstoffe für die Herstellung von Beton benötigt wird. Werden allerdings alte Bauwerke abgerissen, endet der Altbeton größtenteils auf Müllhalden. Eine vermeidbare Verschwendung der Ressourcen, wenn man bedenkt, dass Beton auch mit Gesteinskörnungen aus dem Rückbau von Gebäuden hergestellt werden könnte. Und das ohne Abstriche in den Eigenschaften, denn der sogenannte R-Beton (ressourcenschonender Beton) steht qualitativ dem aus primären Rohstoffen produzierten in nichts nach. Das bestätigt auch Raymund Böing aus der Abteilung Entwicklung und Anwendung bei HeidelbergCement: „Selbst die Ausgangsstoffe sind die gleichen, einziger Unterschied ist, dass bei R-Beton statt einer direkt gewonnenen Gesteinskörnung eine aus dem Rückbau von Bauwerken stammende
rezyklierte Gesteinskörnung zum Einsatz kommt.“
In Deutschland darf Recyclingbeton mit einem Anteil von max. 45 % rezyklierter Gesteinskörnung verbaut werden. Die Rezepturen bleiben im Wesentlichen dieselben wie beim klassischen Beton. Es scheint so, als würde einer Wiederverwendung von Altbaustoffen im Hochbau nichts im Wege stehen. Trotzdem werden mineralische Baustoffe nach dem Abbruch entweder entsorgt oder für den Straßen- und Wegebau verwendet. In Deutschland hat sich R-Beton bisher nicht auf dem Markt etablieren können, da die aktuell geltenden Regelwerke für eine praxisgerechte Verwendung kaum einen Anreiz bieten. Ganz anders ist die Situation bei unserem Nachbarn Schweiz, wo mittlerweile rund 7 % der gesamten Betonnachfrage über Recyclingbeton gedeckt wird. Wenn hierzulande mit Recyclingbeton gebaut wird, dann handelt es sich größtenteils um Pilotprojekte, die von den Landes-Umweltministerien, Forschungsinstituten oder Universitäten auf den Weg gebracht werden. Eine Wiederverwertung von Altbeton aus abgebrochenen Bauwerken wird jedoch aus Umwelt- und Landschaftsschutzgründen langfristig unverzichtbar sein. Für die Bauschuttaufbereitungsindustrie könnten sich hiermit neue Vertriebs- und Verwertungswege erschließen. Sind erstmal alle aktuell vorhandenen Hürden aus dem Weg geräumt und Herstellungsprozesse sowie rezyklierte Zuschläge standardisiert, profitiert am Schluss auch der Bauunternehmer durch fallende Rohbaupreise.
Autor: Paul Deder