Energie ist teuer – das ist uns spätestens seit dem Ukrainekrieg bewusst, der die Preise für Strom, Gas und Öl auf Rekordhöhen schnellen ließ. Energie zu sparen, sei es aus Kostengründen oder im Sinne des Klimaschutzes, ist daher heute wichtiger denn je. Während Altbauten energetisch saniert und Neubauten nach strengen Effizienzstandards errichtet werden, bleibt eine wertvolle Energiequelle oft ungenutzt: die im Abwasser enthaltene Wärme.
Nach der morgendlichen Dusche, dem Betrieb des Geschirrspülers oder der Waschmaschine verschwindet warmes Grauwasser mitsamt seines beträchtlichen energetischen Potenzials in der Kanalisation. Dabei könnte diese Energiequelle sinnvoll genutzt werden, denn selbst im Winter hat Abwasser eine durchschnittliche Temperatur von 10 bis 12 °C, im Sommer sogar 17 bis 20 °C. Durch den Einsatz von Wärmetauschern ließe sich diese Wärme dem Abwasser entziehen – entweder direkt in der Kanalisation, in Kläranlagen oder idealerweise schon im Gebäude, um thermische Verluste zu minimieren. Die gewonnene Wärme könnte über eine Abwasser-Wärmepumpe an ein Heizsystem übertragen werden, was die Energieeffizienz dieser ohnehin umweltfreundlichen Technologie weiter steigern würde.
Das Funktionsprinzip einer Abwasser-Wärmepumpe ähnelt dem herkömmlicher Wärmepumpen. Der Unterschied liegt in der Wärmequelle: Statt der Umgebungsluft oder des Erdreichs nutzt diese Technologie die im Abwasser gespeicherte Umweltwärme. Durch Kompression wird die Temperatur des Arbeitsmediums erhöht und anschließend über einen Wärmetauscher an das Heizsystem oder die Warmwasserversorgung des Gebäudes abgegeben.
Die Idee ist nicht neu: Bereits seit den 1980er-Jahren werden solche Anlagen in Deutschland vereinzelt eingesetzt. Ein Vorzeigeprojekt ist die 2018 in Betrieb genommene Anlage im Stuttgarter Stadtquartier „Neckarpark“. Mit einer thermischen Entzugsleistung von 2,1 MW versorgt sie 22 ha Fläche und 850 Wohneinheiten mit nachhaltig erzeugter Wärme.
Im Gebäudeenergiegesetz wird Abwasser bereits als erneuerbare Energiequelle anerkannt. Dennoch gibt es Herausforderungen, die eine breitere Nutzung erschweren. So kann eine zu starke Abkühlung des Abwassers nachteilige Folgen für nachgelagerte Prozesse in Kläranlagen haben. Auch müssen Wärmetauscher regelmäßig gereinigt werden, da Feststoffe in der Kanalisation sie verstopfen könnten.
Trotz dieser Hürden ist die Technologie heute schon wirtschaftlich und technisch geeignet, insbesondere für größere Gebäude oder industrielle Betriebe. Da Abwasser das ganze Jahr über konstante Temperaturen liefert, kann die gewonnene Energie nicht nur zum Heizen, sondern im Sommer auch zur Kühlung von Gebäuden genutzt werden. Studien zufolge könnte diese effiziente Energiequelle in Deutschland bis zu 15 % des Wärmebedarfs im Gebäudesektor decken – ein Potenzial, das mehr Aufmerksamkeit und einen breiteren Einsatz in der Praxis verdient.
(Autor: Paul Deder)