zum Newsletter anmelden
 

Alles nur geklaut

Man sah sie schon von Weitem kommen. Mit der Totenkopffahne am Mast gaben sie wenig Raum für Fehlinterpretationen – die Absichten waren unmissverständlich, der Ausgang des Angriffs vorherzusehen. Piraten erlebten im 17. Jahrhundert während der Kolonisierung Amerikas durch Spanien und Portugal ihre Blütezeit und strahlen auch heute noch eine gewisse Faszination aus. Das Handeln ihrer modernen Nachfahren dagegen ist fern jeder romantischen Verklärung der einstigen Freibeuterei auf See: Die einen kapern schwer bewaffnet als maritimer Zweig des organisierten Verbrechens ausländische Schiffe und Tanker, die anderen treiben in den Landtagen der Republik ihr Unwesen.

Gesamtwirtschaftlich brisanter ist wohl die Räubergattung, die es nicht auf die Aneignung von Waren, sondern auf fremdes Know-how abgesehen hat. Die sogenannten Produktpiraten setzen dadurch auf nachhaltige Bereicherung statt auf das schnelle Geld – ein elegantes Konzept, bei dem die Gefahr, gegen Ende des Berufslebens als Papageienständer mit Holzbein, Hakenhand und Augenklappe zu enden, gegen Null tendiert.

Geistiges Eigentum ist ein wertvolles Gut, durch dessen Diebstahl sich der lange Weg der Entwicklung von Design und Technik geschickt abkürzen lässt. Bei einer exakten Fälschung des Originals erübrigen sich auch die Kosten für die Produktvermarktung. In der Folge wundern sich die betrogenen Urheber über die Umsatzeinbrüche ihrer preislich nicht mehr konkurrenzfähigen Produkte. Da Fälscher nur selten bei der Materialwahl und Qualität übermotiviert vorgehen, haben betroffene Unternehmen auch einen nicht unerheblichen Imageschaden zu befürchten: Von einer etablierten Marke werden Standards verlangt, die ein Imitat de facto nicht erfüllen kann. Der volkswirtschaftliche Schaden durch Plagiate ist enorm: Allein in Deutschland wird er auf 30 Mrd. Euro jährlich beziffert. Als Brutstätte von Fälscherwerkstätten gilt seit Jahren China, hier leben ganze Industriezweige von der Herstellung von Plagiaten. Unfair? Na klar! Doch die Kopier-Kultur ist keine chinesische Entwicklung. Durch kluges Abkupfern hat sich schon Japan aus den Ruinen des zweiten Weltkriegs zur zweitgrößten Volkswirtschaft entwickelt. Und auch Spätzünder Deutschland hat sich zu Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert nicht anders helfen können, als Erfolgreiches nachzuahmen. Im Großen und Ganzen ist der Hang zum Ideenklau die Triebfeder der menschlichen Evolution. Eigentlich sollten wir froh darüber sein, dass der behaarte Erfinder des ersten Steinwerkzeugs vor Jahrmillionen großzügig auf etwaige Schutzrechte verzichtet hat. Sonst würde unser Alltag heute wohl ganz anders aussehen.

Gefälscht werden heute nicht nur Luxusuhren, teure Handtaschen oder Markenkleidung. Auch der Nachbau komplizierter Maschinen kann sich lohnen, die, anders als schnelllebige Konsumelektronik, über Jahre stabil im Wert sind und dadurch reichlich Erlöse abwerfen können. Auch die Baubranche bleibt nicht verschont. So meldete der Kranhersteller Terex im November 2013, dass eines seiner Raupenkranmodelle in China nachgebaut wurde. Die Maschinen wurden montiert, als Markenware gekennzeichnet und als gebrauchte Geräte weit unter dem Marktpreis unters Volk gebracht. Auch vor Architektenleistungen machen die dreisten Plagiatoren keinen Halt. Zu den bekanntesten Fällen gehört der Nachbau eines aus mehreren segelförmigen Türmen bestehenden Gebäudekomplexes in der Stadt Chongqing, welches die Stararchitektin Zaha Hadid ursprünglich für Peking entworfen hat.

Die größte Gefahr für deutsche Bauunternehmer geht aber von billigen Kopien sicherheitsrelevanter Ersatz- und Zubehörteile für Baumaschinen aus. Durch identische Verpackungen und täuschend echt aussehende Produkte ist es deutlich schwieriger, Billigware vom Original zu unterscheiden. Bei gefälschten Produkten können die Risiken für Maschinenausfälle genauso wie die Verletzungsgefahr für Fahrer und daraus folgende kostspielige Unterbrechungen des Baubetriebs ins Unermessliche steigen. Der sicherste Weg, diese Probleme gar nicht entstehen zu lassen, ist der Bezug der Produkte über das Vertragshändlernetz der Markenhersteller.

Autor: Paul Deder

Weitere Artikel:

Kommentar
Die Qual der Wahl
Die Qual der Wahl
Die Qual der Wahl

Selten steht eine Bundestagswahl so emotional aufgeladen bevor wie diese. Selten hat ein einziges Kreuz auf dem Wahlzettel ein so großes Potenzial, die Zukunft Deutschlands nachhaltig zu prägen. Und selten wird eine neue Regierung vor größeren Herausforderungen und einer schwereren Bürde an Aufgaben stehen als im Wahljahr 2025.

Kommentar
Verlorenes Potenzial
Verlorenes Potenzial
Verlorenes Potenzial

Die Produktivität – also die Wertschöpfung pro Arbeitnehmer oder Arbeitsstunde – zählt zu den zentralen Kennzahlen jedes erfolgreichen Unternehmens und jeder Branche. Ein Bereich, der in Deutschland jedoch seit Jahrzehnten als Sorgenkind gilt, ist das Bauhauptgewerbe. Statt kontinuierlich zu wachsen, hat sich hier das Verhältnis von Output zu Input erheblich verschlechtert: Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes sank die Arbeitsproduktivität im Baugewerbe zwischen 1991 und 2023 um alarmierende 23 %. Im gleichen Zeitraum stieg die Arbeitsproduktivität in der Gesamtwirtschaft um 46 % und im verarbeitenden Gewerbe sogar um 103 %. 

Kommentar
Teure Fehler
Teure Fehler
Teure Fehler

Menschen machen Fehler, und das ist gut so. Denn nur mit Mut können wir uns auch gegen den Strom bewegen und vermeintlich falsche Wege einschlagen. Trial and Error ist als Alternative zum Stillstand zwar nicht risikolos, doch eröffnet es Möglichkeiten zur Weiterentwicklung und bietet die Chance, künftig Dinge besser zu machen. Schon in der Antike erkannte der Philosoph Seneca den Wert eines reflektierten Umgangs mit Fehlern und formulierte mit seinem Zitat „Irren ist menschlich, aber auf Irrtümern zu beharren ist teuflisch“ einen wichtigen Ansatz für das Fehlermanagement. In modernen, progressiven Unternehmen gehört es heute zum guten Ton, Misserfolge nicht unter den Teppich zu kehren, sondern sie gezielt zu analysieren, um Produkte und Prozesse nachhaltig zu verbessern.

Kommentar
Mehr Life als Work?
Mehr Life als Work?
Mehr Life als Work?

Immer wieder fordern Gewerkschaften im Rahmen von Tarifverhandlungen eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit für ihre Mitglieder. Die allmächtige IG Metall drängt auf eine 32-Stunden-Woche, während die dauernervende GDL kürzlich ihre Forderung nach 35 Wochenstunden durchgesetzt hat. Doch schnell stellt sich die Frage: Wie wenig Arbeit kann sich eine schrumpfende Wirtschaftsmacht wie Deutschland leisten?

Kommentar
Politische Kuchenverteilung
Politische Kuchenverteilung
Politische Kuchenverteilung

Ist einmal die wilde Zeit des Single-Daseins vorbei und die Gründung einer Familie vollzogen, dann nimmt zumindest beim „Otto-Normalverdiener“ die allmonatliche Rechnerei des Haushaltsplans ihren Lauf. Dabei gestaltet sich die sorgfältige Verteilung des Familienbudgets heutzutage vermutlich etwas schwieriger als noch vor einigen Jahren. Hohe Energiekosten, schwindelerregende Mietanstiege und Lebensmittelpreise, die mehr zum Fasten als zum Schlemmern einladen, reißen enorme Löcher ins Haushaltsbudget. Ob nach Abzug aller verpflichtenden und notwendigen Ausgaben noch Geld für Kleidung, Hobbies, Urlaub, Mamas Beauty- und Papas Kumpeltour übrig bleiben – fraglich.

Kommentar
Risiko Baustelle
Risiko Baustelle
Risiko Baustelle

Die Bauarbeiter leben gefährlich. Ihre Arbeitsplätze befinden sich nicht selten weit oben, auf steilen Dächern und nah an Gebäudekanten, wo stets das Risiko eines Absturzes lauert. Doch auch Beschäftigte, die abseits des Adrenalinkicks ihrer Arbeit nachgehen, sind nicht automatisch „aus dem Schneider“: Herabfallende Baumaterialien und Werkzeuge können ebenso zu einer Gefahr werden. Nicht tragfähige Bauteile, kaputte Leitern, unzureichende persönliche Schutzausrüstung, fehlende Geländer und falsche Gerüstmontage fordern immer wieder ihren Tribut.

Kommentar
Vertrauensverlust
Vertrauensverlust
Vertrauensverlust

„Wir verpflichten uns, dem Wohle aller Bürgerinnen und Bürger zu dienen“, stand in der Präambel des Koalitionsvertrags, den die frisch gewählte rot-gelb-grüne Bundesregierung 2021 als ihr Rezept für ein erfolgreiches und modernes Deutschland beschlossen hat. Die Grundlage für die deutsche Politik der kommenden vier Jahre trägt den markigen Titel „Mehr Fortschritt wagen“. Die Ambitionen scheinen daher klar umrissen und fanden zu Beginn der Legislaturperiode auch Zuspruch, denn Fortschritt steht für Verbesserung, Erleichterung und Wohlstand – Aspekte, die sich die pandemiemüde Bevölkerung sehnlichst gewünscht hat.

Kommentar
Ihrer Zeit voraus
Ihrer Zeit voraus
Ihrer Zeit voraus

Kürzlich erreichte mich die Meldung, dass ein mir bekanntes Unternehmen, das innovative Maschinen für die Baustelle entwickelt, beim zuständigen Amtsgericht Insolvenz anmelden musste. Acht Jahre nach der Gründung konnte der Technologieanbieter das prognostizierte Geschäftswachstum nicht erreichen. Auch wenn es durchaus Chancen gibt, dass im Rahmen des Konkursverfahrens Investoren für die Umsetzung eines Sanierungsplans gefunden werden können, zeigt dieser Fall das Manko vieler junger Unternehmen mit Visionen: Sie scheitern oft, weil sie ihrer Zeit voraus sind.

Kommentar
Auf Schrumpfkurs
Auf Schrumpfkurs
Auf Schrumpfkurs

Stark gestiegene Zinsen, hohe Inflation und Knappheiten in den Märkten – seit fast zwei Jahren büßen zahlreiche Weltregionen an Schwung ein. Deutschland zählt zu den größten Verlierern der aktuellen geopolitischen Spannungen. Schon im letzten Jahr ist unser Bruttoinlandsprodukt preisbereinigt um 0,3 % gesunken. Und auch die Konjunkturvorhersagen des IWF für 2024 zeigen, dass es dem Land an Wachstumsimpulsen mangelt. In der Riege der größten Volkswirtschaften sind die Deutschen bei BIP-Prognosen nach dem krisengeplagten Argentinien Schlusslicht – mit einem Wachstum von lediglich 0,5 %.