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Sonntag, 28. Oktober 2018

Londoner Hochhausbrand: Die Dämmung brannte nicht

In jüngster Zeit ist die Feuergefahr von Dämmmaterialien in das Zentrum des öffentlichen Interesses gerückt. Tatsächlich spielen diese Baustoffe bei Bränden jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Das haben jetzt auch die vorläufigen Ergebnisse der noch laufenden ersten Untersuchungsphase beim Londoner Hochhausbrand gezeigt, die Mitte Oktober 2018 in der Fachwelt bekannt wurden: Die Wetterschutzverkleidung brannte völlig ab und hat zur schnellen Verbreitung des Feuers geführt, während die Wanddämmung in großen Teilen erhalten blieb. Darauf weisen die Experten von Zukunft Altbau hin, dem vom Umweltministerium Baden-Württemberg geförderten Informationsprogramm.

„Bewohner und Baufachleute sollten die Feuergefahr durch Dämmung realistisch einschätzen“, rät Frank Hettler von Zukunft Altbau. „Gebäudedämmungen bestehen in der Regel aus nicht brennbaren oder nur schwer entflammbaren Materialien." Die wesentlich größere Gefahr für Leib und Leben der Bewohner besteht beim Brand der Inneneinrichtung. Dämmstoffe auf der Außenseite von Gebäuden sind im Brandfall höchst selten das Problem: Sie fangen nur in fünf bis zehn Fällen pro Jahr Feuer.

In Deutschland brechen jeden Tag durchschnittlich über 500 Wohnungsbrände aus. Nur an jedem 20.000. Brand ist also die Fassade beteiligt. Die meisten Brände haben wie im Londoner Fall ihren Ursprung in den Innenräumen von Wohngebäuden. Brandherd Nummer eins ist die Küche. Hier entstehen aufgrund der Vielzahl elektrischer Geräte die meisten Wohnungsbrände. Neben technischen Defekten und Fahrlässigkeit spielt auch Brandstiftung eine Rolle bei der Entstehung von Feuer. Auch Fahrlässigkeit beim Rauchen oder dem Abbrennen von Kerzen sind häufige Brandursachen. Fassadendämmungen zählen nicht zu den Brandverursachern.

Ist ein Brand entstanden, brennt zuerst die Inneneinrichtung der Wohnung, etwa Tische, Stühle, Regale, Schränke oder Betten, bevor das Feuer Fenster brechen lässt, sich über die Stockwerke nach oben ausbreitet und dort wiederum die Inneneinrichtung angreift. Erst jetzt ist die Gebäudedämmung prinzipiell in Gefahr. Da die meisten Dämmstoffe jedoch äußerst schlecht brennen, halten die Materialien einen Brand lange aus. In vielen Fällen werden mineralische Stoffe wie Glas- oder Steinwolle als Dämmmaterialien eingesetzt, die überhaupt nicht brennen können.

Neben Naturdämmstoffen mit entsprechenden Zusätzen eignen sich als Dämmstoffe auch organische Stoffe wie Kunststoffschäume. Aus Kostengründen kommen dabei vor allem Dämmplatten aus Polystyrol zum Einsatz, auch EPS-Dämmplatten genannt (EPS für expandiertes Polystyrol). Sie sind in den letzten Jahren wiederholt mit Brandereignissen in Verbindung gebracht worden und damit vermehrt in Kritik geraten. Das Material Polystyrol ist grundsätzlich brennbar. Bei der Produktion der Dämmplatten fügen die Hersteller jedoch Flammschutzmittel hinzu, die die Platten schwer entflammbar machen. „In Deutschland zugelassene Wärmedämm-Verbundsysteme aus Polystyrol werden seit Langem bei einer Fassadenbrandprüfung gründlich auf ihr Brandverhalten untersucht und sind hinreichend sicher“, sagt Markus Weißert vom Fachverband der Stuckateure für Ausbau und Fassade Baden-Württemberg. „Zahlreiche Einrichtungsbestandteile in Privathaushalten brennen oft sehr viel leichter als die Gebäudedämmung.“ Vor allem Textilien, Möbel sowie PVC-Böden fallen den Flammen schnell zum Opfer – sie brennen zudem innen und nicht außen an der Fassade und verursachen im Ernstfall für die Bewohner giftige Rauchgase.

Doch auch Polystyrol kann nach einiger Zeit bei hoher Temperatur brennen und abtropfen. Um das Brandrisiko bei Wärmedämm-Verbundsystemen aus EPS zu minimieren, ist bei Mehrfamilienhäusern Brandschutz Pflicht. Er verhindert die Weiterleitung des Brandes über die Dämmung auf andere Geschosse. Hauseigentümer können zwischen einem Sturzschutz oder einem Brandschutzriegel wählen: Beim Sturzschutz wird nicht brennbares Dämmmaterial, häufig Stein- oder Mineralwolle, über und neben den Fenstern außen angebracht. Bei der Alternative Brandriegel kommt in jedem zweiten Stock über die Fenster ein um das Gebäude laufender Riegel aus nicht brennbaren Dämmmaterialien. Ein Sturzschutz ist seit 1998/1999 im Baurecht vorgeschrieben, die Alternative Brandriegel seit 2006/2007.

Die Intensität und Häufigkeit der Diskussionen um brennende Dämmungen stehen im Kontrast zu den Fakten. Brennende Dämmungen gibt es jährlich nur in 0,005 Prozent aller Wohnungsbrände in Deutschland. Die Fälle, bei denen Dämmungen Feuer fangen, sind meist Fassaden, die sich noch in der Bauphase befinden. Auch wenn der Brand außerhalb der Immobilie entsteht, etwa durch ein brennendes Auto, Feuer im Müllcontainer oder Ansammlungen von entflammten gelben Säcken, ist die Dämmung früher in Gefahr als das Gebäudeinnere.

Bei Dämmstoffen gelten in Deutschland die gleichen Sicherheitsstandards wie bei allen anderen Baumaterialien. Sie werden in die vier Kategorien leicht entflammbar, normal entflammbar, schwer entflammbar und nicht brennbar eingeteilt (B3, B2, B1 und A1/A2; siehe Grafik). Welche Brandschutzvorgaben die Bauteile erfüllen müssen, hängt von der Gebäudeklasse ab. Bei kleinen Gebäuden mit einer Höhe unter sieben Metern, etwa Einfamilienhäusern, reicht eine normal entflammbare Fassadenbekleidung aus, da die Fluchtmöglichkeiten höher eingeschätzt werden als bei mehrgeschossigen Gebäuden. Ist eine Immobilie zwischen sieben und 22 Meter hoch, bedarf es schwer entflammbarer Systeme. Dazu gehören unter anderem Polystyrol-Dämmplatten. In Hochhäuser dürfen ausschließlich nicht brennbare Dämmstoffe verwendet werden, etwa Stein- oder Mineralwolle.

„Hauseigentümer sollten bei der Dämmung mittels Wärmedämmverbundsystemen auch darauf achten, dass es sich um bauaufsichtlich zugelassene Systeme handelt“ sagt Frank Hettler von Zukunft Altbau. „Sie müssen zudem fachgerecht eingebaut werden.“ Für noch mehr Sicherheit sorgen die Wahl einer nicht brennbaren Fassadendämmung und die vorgeschriebene Platzierung von Müllcontainern oder gelben Säcken mindestens drei Meter vom Gebäude entfernt. Auch Gebäudeenergieberater helfen: Sie klären neutral über die Eigenschaften einzelner Dämmmaterialien auf und helfen bei der Auswahl eines geeigneten Dämmstoffs. Außerdem beraten sie Hauseigentümer, welche Sicherheitsvorkehrungen die Gefahr eines Wohnungsbrands reduzieren.

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