Der sparsame Umgang mit Rohstoffen ist angesichts der wachsenden Weltbevölkerungzahl und knapper werdenden Ressourcen eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Da das Bauwesen zu mehr als der Hälfte des globalen Ressourcenverbrauchs beiträgt, wird mit Hochdruck daran gearbeitet, durch ökologische Materialauswahl, Wiederverwendbarkeit von Baustoffen und ressourcensparende Architektur das Bauen nachhaltiger zu machen.
Ökologisches und ökonomisches Potenzial steckt aber auch in der Anwendung von Leichtbaukonstruktionen. Diese Bauweise diente früher der Überbrückung großer Spannweiten oder zum Erreichen großer Höhen. Heute geht es auch darum, die Masse der Bauteile im Vergleich zu konventionellen Bauweisen zu reduzieren, um so Ressourcen einzusparen und nicht rezyklierbare Abfälle zu vermeiden. Ein Beispiel für den Leichtbau ist der Holzmodulbau, der in den letzten Jahrzehnten stark vorangetrieben wurde und heute als ausgereift gilt. Durch solche Konstruktionen kann ein großer Anteil an Material eingespart werden, während z. B. die Zwischenräume der Module platzeffizient für eine Dämmung genutzt werden können. Das Holz ist von Natur aus ein leichter und stabiler Baustoff, allerdings wird die Holzrahmenbauweise aus statischen Gründen bevorzugt für niedrige Gebäude eingesetzt. Wird höher oder komplexer gebaut – z. B. im Geschosswohnungsbau oder Ingenieurbau, dann greift man gerne zum Beton als Massenbaustoff, der jedoch im Hinblick auf die Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit nicht mit Bestnoten glänzt. Der Betonbau hat sich nämlich in seiner klassischen Anwendung der Vor-Ort-Fertigung in den letzten 100 Jahren kaum verändert, sodass vermehrt Anstrengungen unternommen werden, um den Ressourcenverbrauch und die CO2-Emissionen zu reduzieren.
Eine der neuesten Entwicklungen in diesem Bereich ist die Technologie des Gradientenbetons, bei dem erstmals an einer Optimierung des Bauteilinnenraums gearbeitet wird. Die Idee dahinter: Massive Bauteile aus Beton, deren einzelne Bereiche nur wenig bis gar nicht beansprucht werden, gewichtsreduziert auszuführen. Der innere Aufbau der Bauteile wird durch das Einbringen von porösen Leichtzuschlägen oder durch die gezielte Verteilung von mineralischen Hohlkörpern an die jeweiligen Beanspruchungen und Belastungen angepasst. Die Materialeigenschaften werden also innerhalb der Betonbauteile stufenlos „gradiert“, sodass dichte und schwere Bereiche fließend in porösere Bereiche übergehen.
Werner Soben hat diesen technologischen Ansatz Ende der 1990er Jahre erfunden und dadurch eine Möglichkeit geschaffen, tragende Bauteile aus Beton leichter bauen zu können. Seitdem forscht das Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) intensiv am Thema Gradientenbeton. Trotz des enormen Potenzials ist das Material immer noch im Entwicklungsstadium. Als mögliche Einsatzbereiche könnten in der Zukunft Bauteile für Decken und Außenwände in Frage kommen – so ließe sich ihr Gewicht Berechnungen zufolge um 30 bis 45 % verringern, was auch eine Reduzierung der Material- und Energiekosten nach sich zöge.
(Autor: Paul Deder)