Die Finanzkrise 2007/2008 hat in den USA nicht nur Billionenwerte vernichtet – sie hat auch bei Teilen der Bevölkerung zu einem Umdenkungsprozess geführt. Denn seit dem großen Knall werden die Wohnungen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten immer kleiner. So verkleinerte sich die durchschnittliche Wohnfläche eines Einfamilienhauses bereits zwei Jahre nach dem absoluten Spitzenwert von 2007 um 5 % auf 226 m². Die Phase des Gesundschrumpfens wurde eingeläutet.
Weil „Bigger is better“ immer weniger Anhänger fand, entstand in der Zeit nach der Krise mit dem sogenannten Tiny House Movement eine gesellschaftliche Bewegung, die das Leben in kleinen Häusern propagiert. Die reduzierten, in der Regel mobilen Eigenheime sind 30 bis 50 m² groß und ihre Bau- und Folgekosten daher wesentlich geringer als bei großen Einfamilienhäusern.
In den letzten Jahren ist der Trend zu den Wohnwürfeln auch in Deutschland zu spüren. Das Leben auf kleinem Fuß wird durch die aktuelle Situation in den deutschen Städten begünstigt: Die Preise für Wohnraum steigen rasant, sodass alternative Wohnmodelle immer interessanter werden. Hinzu kommt, dass die Zahl der Single-Haushalte in Deutschland bei knapp 40 % liegt – und Alleinstehende sind die ideale Zielgruppe für das Leben auf wenigen Quadratmetern. Auch die früheren Statussymbole wie ein großes Haus oder Auto verlieren an Bedeutung. Eine Reduzierung aufs Wesentliche verbunden mit dem Wandel zu einer ökologischen Lebensweise beflügeln den positiven Entwicklungstrend der Tiny Houses noch zusätzlich.
Zu typischen Vertretern der Minihaus-Bewegung gehören aber nicht nur Studenten und Singles auf Öko-Trip, die ihr Domizil als Hauptwohnsitz nutzen wollen. Eine interessante Gruppe bilden Personen, die einen zusätzlichen Raum wie ein Büro oder Studio auf dem eigenen Grundstück benötigen oder auf der Suche nach einer Ferienhaus-Lösung sind.
Die Grenze des neuen Trends markiert die komplizierte Rechtslage in Deutschland. So sind Tiny Houses aus baurechtlicher Sicht weder Wohnwagen noch Fahrzeuganhänger, sondern explizit Gebäude – egal ob sie Räder dran haben oder nicht. Daher ist für alle, die das Minihaus ganzjährig bewohnen wollen, ein erschlossenes Baugrundstück zwingend. Ein autarkes Leben am Waldrand oder Fluss ist bei uns sowieso nicht möglich. Auch ein Aufstellen der Tiny Houses auf einem Campingplatz ist keine Selbstverständlichkeit, weil zahlreiche Landesverordnungen über den Betrieb von Campingplätzen Fahrzeughöhen über 3,5 m ausschließen.
Eine Alternative sind Tiny House Siedlungen – ganze Dörfer von winzigen Häuschen, in denen es sich ökologisch wertvoll und dennoch komfortabel wohnen lässt. Eine solcher Siedlungen entsteht derzeit auf dem Bauhaus-Campus Berlin. Neun Mini-Häuser – zwischen sechs und zehn Quadratmeter klein – lösen bereits das Wohnraumproblem ihrer Bewohner in der Hauptstadt. Mit dem „Tiny Village“ entsteht im bayerischen Fichtelgebirge aktuell Deutschlands erstes Tiny-House-Dorf. Viele weitere Projekte dieser Art befinden sich noch in der Planung.
Auch wenn das deutsche Recht der großen Freiheit enge Grenzen setzt – die Anzeichen mehren sich, dass die Minihäuser mehr als nur ein mediales Phänomen sind. „Weniger ist mehr“ ist im Kommen!
Autor: Paul Deder