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KI: Chance oder Risiko?

Wir Menschen sind Perfektionisten – eine Eigenschaft, die aus evolutionärer Sicht  von entscheidender Bedeutung ist. Einst erreichte Standards werden immer und immer wieder in Frage gestellt, um die Latte für die Lebensqualität höher zu legen. Das hat dazu geführt, dass wir heute in einer völlig anderen Welt leben und sogar gerade dabei sind, künstliches Leben zu erschaffen. Wird die Künstliche Intelligenz (KI) zum Gamechanger oder droht uns eine digitale Revolution, die die Welt ins Chaos stürzt?

Momentan beruhigt die Tatsache, dass KI heute nicht wesentlich mehr weiß, als der verhasste Streber aus der Schulzeit. Im Rahmen eines Selbstversuchs habe ich mit dem KI-Textautomaten von OpenAI gechattet. ChatGPT ist ein geduldiger und kluger Zeitgenosse: Ohne sich eine Denkpause zu gönnen, schreibt der Chatbot flott seine bis zum Würgereflex geschwollen formulierten und mit Fremdwörtern überfluteten Antworten nieder. Zum Glück ist der Alptraum eines jeden Sprachpuristen nicht allwissend: Auf die Frage, ob es einen Gott gibt, liefert  ChatGPT eine ausweichende Antwort in bester Pfarrer-Manier. Er hat auch keinen blassen Schimmer davon, wann der Wahnsinn in der Ukraine endet oder sich die halbe Welt aus dem Würgegriff der Preisteuerung befreien kann.

Perfekt ist der neue Untermieter in der Menschenwelt also nicht. KI versteht auch keinen Spaß: Versuche, dem KI-Modell gute, selbstkreierte Gags zu entlocken, scheitern gänzlich. Einen festen Platz in der Gesellschaft könnte die Spaßbremse dennoch einnehmen. Der allseits bekannte Terminator T-800 war auch kein Scherzkeks, erledigte die an ihn gestellte Aufgabe jedoch konzentriert und mit viel Herzblut. Ob etwas mehr KI in der Rechtsprechung die Klimakleber besser in die Schranken weisen würde? Mit einer guten Portion Humorlosigkeit ausgestattet, würde die schlaue, unsentimentale Technik womöglich eine härtere Gangart einlegen und dafür sorgen, dass die radikalen Kinder des Zorns auch ohne Superkleber für eine lange Zeit an einem Ort festsitzen – fernab von Straßen und Kunstgalerien. 

Bleibt man bei KI-Klischees, dann wird die KI-Entwicklung eines Tages einen Punkt erreichen, an dem der Mensch jegliche Kontrolle über die neue Technologie verliert.  Frei von moralischen Schranken, ist es doch nur eine Frage der Zeit, bis sich die KI gegen den eigenen Schöpfer richtet? Von Science-Fiction-Fantasien zurück in der Realität leuchtet einem ein, dass der Einsatz von KI durchaus Gefahren in sich birgt. Die Technologie könnte z. B. die Spielregeln der internationalen Politik verändern, weil Propaganda einfacher verbreitet werden könnte. Verschwindet der  Mensch als beschränkender Faktor aus der Gleichung, dann sind auch Massenüberwachung und Datenschutzrisiken nicht von der Hand zu weisen. Man rechnet auch damit, dass KI für den Wegfall zahlreicher Berufe sorgt und gesellschaftliche Umbrüche auslöst. Aus heutiger Sicht überwiegen jedoch die positiven Aspekte, weil KI Prozesse automatisieren und verbessern kann. Die Zukunft des Arbeitsmarktes wird also von einer Kombination aus Mensch und Maschine geprägt sein. Apropos Zukunft: Für das Ende der Talfahrt am Bau hatte der Chatbot für mich keine Antwort parat, sondern nur Wischiwaschi-Aussagen à la „Hoffnung stirbt zuletzt“. Auch für unsere Branche gibt KI also keine Antworten auf die brennenden Fragen. Sie eröffnet allerdings Potenziale, um den Bau sicherer und wirtschaftlicher zu gestalten. Kameras und Sensoren in Baumaschinen, KI-gestützte Projektmanagementsoftware, autonom gesteuerte Technik, intelligente Drohnen und Lösungen für das Sammeln und Auswerten von Daten durch KI werden die Branche verändern. Vom bösen Roboter zum Hoffnungsträger? Jede Wette.

(Autor: Paul Deder)

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