zum Newsletter anmelden
 

Leben auf Distanz

Nun ist es soweit: die von Virologen prophezeite und lang vorhersehbare zweite Corona-Welle hat auch unser Land erreicht. Sprunghaft stieg die Zahl der Neuinfizierten an und ließ den Staatslenkern keine Chance für Zögern und Schönrederei. Es folgte der „Lockdown light“, der harmlos klingt und doch viele, bereits zuvor arg gebeutelte Bereiche hart treffen wird.

Wieder räumten die Taktik-Genies unter uns reflexartig die Toilettenpapier-Regale leer. Wieder mussten sich alle auf entbehrungsreiche Wochen einstellen – und das ohne dass die meisten Bürger die Zeit der neu gewonnenen Freiheit nach dem Ende der ersten Welle bis zum Exzess ausgenutzt hätten.

Dabei sah alles gar nicht mal so schlecht aus – nach dem Höchststand der Fallzahlen Mitte April ging die Kurve steil nach unten, sodass bereits im Mai die Pandemie unter Kontrolle zu sein schien. Vom Rest der Welt bewundert, aber auch misstrauisch beäugt, hat Deutschland mal wieder die Streberrolle übernommen und die Krise mit Bravour gemeistert. Während das Gesundheitssystem unserer Nachbarn links des Rheins oder der „Abtrünnigen“ von der Insel kurz vor dem Zusammenbruch stand, konnten wir trotz weniger strikten Ausgangsbeschränkungen auch in der Hochzeit der Pandemie die Versorgung der Infizierten gewährleisten. Doch spätestens seit dem Anrollen der zweiten Pandemie-Welle wird klar, dass dieser Virus uns trotz „Wellenbrecher“-Maßnahmen lange erhalten bleiben und tiefe Spuren hinterlassen wird. Es wird uns verändern. Gerade uns, die so gerne auf Traditionen setzen. Wir trinken Bier, sind gerne sparsam und pünktlich und setzen auf Konstanz in der politischen Führung. Wir treffen aber auch gerne Freunde, unterstützten in der Fankurve Schulter an Schulter unsere Fußballklubs oder singen uns bei einem Rock-Konzert – in den Armen liegend – kollektiv heiser. Nun gilt es, sich darauf einzustellen, dass es im Umgang miteinander eine Zeit vor und nach Corona geben wird. 

Der freundliche Nachbar, der seit eh und je mit einem Handschlag begrüsst wurde, bekommt heute lediglich ein trockenes „Hallo“ und ein simuliertes Lächeln hinterher. Als potenzieller Krankmacher will man ihn ja nicht in Gefahr bringen, wo er doch erst kürzlich Opa geworden ist. Ob er eines Tages Witziges von seiner Enkelin erzählt? Eine nachhaltige soziale Distanzierung ist wahrscheinlicher – und das auch in Bezug auf Menschen, die einem noch näher stehen. Die Begegnungen mit Freunden und Verwandten werden körperloser, wir werden uns noch mehr an Avatare gewöhnen und mit einer gekonnten Nutzung von Smileys auseinander setzen müssen, um zumindest halbwegs Emotionen zeigen zu können. Wie angebracht ist heute noch eine Umarmung oder ein freundschaftlicher Begrüßungskuss? Wie begegnet man Geschäftspartnern und Kunden? Und was wird aus Trump, der in der Zukunft wohl auch außerhalb der Politik ohne seine berüchtigten Handshake-Battles auskommen muss?

Um die Pandemie einzudämmen, wirbt die Politik seit dem Beginn der Krise für soziale Zurückhaltung. Wer zu Hause bleibt, auf Kontakte verzichtet, ist kein Freak und Einzelgänger, sondern handelt vorbildlich und gewissenhaft. Es bleibt die Frage, ob wir die Leidenschaft für Dinge, die uns einst wichtig waren, über die Zeit der Pandemie retten können. Wozu ein teurer Musical-Besuch, wenn das Leben auch ohne gut funktionierte? Und muss die betagte, vereinsamte Tante tatsächlich besucht werden, wo sie doch zur Risikogruppe gehört? Auch wenn viele denken, dass das Leben nach Corona seinen gewohnten Gang nimmt, wird für manche eine neue Normalität die alte gänzlich ersetzten. Das gilt auch für das Geschäftsleben. Sicher wird der Betonmischer auch morgen noch per Hand befüllt, doch vieles wird auch nach Covid-19 auf virtueller Ebene stattfinden. In kürzester Zeit mussten Prozesse umgestellt und bewährte Vorgehen angepasst werden. Die Digitalisierung der Baubranche ist endlich etwas mehr in den Fokus gerückt. Zumindest hier besteht somit eine Chance, dass Einzelne aus dieser Krise gestärkt und nicht geschwächt hervorgehen.

Autor: Paul Deder

Weitere Artikel:

KI: Chance oder Risiko?

KI: Chance oder Risiko?

Wir Menschen sind Perfektionisten – eine Eigenschaft, die aus evolutionärer Sicht  von entscheidender Bedeutung ist. Einst erreichte Standards werden immer und immer wieder in Frage gestellt, um die Latte für die Lebensqualität höher zu legen. Das hat dazu geführt, dass wir heute in einer völlig anderen Welt leben und sogar gerade dabei sind, künstliches Leben zu erschaffen. Wird die Künstliche Intelligenz (KI) zum Gamechanger oder droht uns eine digitale Revolution, die die Welt ins Chaos stürzt?

mehr lesen

Melkkuh der Nation

Melkkuh der Nation

Wir haben die Übeltäter! Endlich steht fest, wer für die verfehlten Klimaziele geradestehen und den radikalen Gesellschaftsumbau finanzieren muss. Nachdem der Gebäudesektor bei den erlaubten Jahresemissionsmengen erneut in rote Zahlen gerutscht ist, müssen die Immobilienbesitzer notfalls mit Brachialgewalt auf den vorgesehenen Dekarbonisierungspfad gebracht werden. Förderprogramme und Marktanreize? Sind teuer und der Erfolg ist schlecht planbar. Wer sich ein Haus leisten kann, sollte auch das nötige Kleingeld haben, um die klimapolitischen Versäumnisse der Großen Koalition auszubaden.

mehr lesen

Augen zu und durch?

Augen zu und durch

Blickt man auf die baukonjunkturelle Lage in der Republik, dann stellt man sich zwei Fragen: Kommen die relevanten Branchenindikatoren beim Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen an und wenn ja – wann ist mit dem Erwachen des größten Bauherren Deutschlands aus der Lethargie zu rechnen? Es ist nämlich nicht lange her, dass die Ampel-Koalition sich heroisch auf die Brust schlagend versprach, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen. Fertiggestellt wurden im vergangenen Jahr rund 275.000 Wohneinheiten, etwa 250.000 sind für 2023 zu erwarten.

mehr lesen

Überreguliert

Überreguliert

Kurz nach Kriegsbeginn in der Ukraine haben wir Geflüchtete aus Odessa in unserem Haus aufgenommen. Die dreiköpfige Familie, die wenige hundert Meter von einem Militärstützpunkt entfernt lebte, hat bereits in der ersten Nacht des Angriffs die volle Brutalität des Krieges hautnah miterlebt. Bei uns angekommen, fanden sie schließlich den herbeigesehnten Schutz eines freiheitlichen Rechtsstaates. Doch schon beim ersten Behördengang wurde uns klar, dass die suggerierte, grenzenlose Solidarität am Bürokratie-Fels des staatlichen Verwaltungsapparates zu zerschellen droht.

mehr lesen

Vom Boom in die Vollbremsung?

Vom Boom in die Vollbremsung

Die Konjunktur ist ein Auf und Ab. Mal geht es volkswirtschaftlich nach oben, mal tritt eine konjunkturelle Abkühlung ein. Nach zehn Jahren BIP-Wachstum in Folge ging 2020 die Wirtschaftsleistung Deutschlands erstmals zurück. Doch nicht im Bauhauptgewerge: hier stieg der Jahresumsatz um 4,9 % gegenüber dem Vorjahr, ein Jahr später gab es eine weitere Steigerung um immerhin 1,0 %. In der Krise hat sich unsere Branche erneut als widerstandsfähig gezeigt, doch der diesjährige toxische Mix aus Preissteigerungen, Lieferschwierigkeiten, Zinserhöhungen und steigenden Lebenshaltungskosten für die Verbrauchen bringt nun auch die Bauwirtschaft ins schwierige Fahrwasser.

mehr lesen

Branche unter Druck

Branche unter Druck

Das Coronavirus hat weltweit zu einer schweren wirtschaftlichen Krise geführt. Am Baugewerbe schienen die Auswirkungen der Pandemie jedoch lange Zeit abzuperlen – von wirtschaftlichen Sorgen war in der Branche keine Spur. Umgekehrt: in einem zunehmend angespannten weltwirtschaftlichen Umfeld bildeten die Bauinvestitionen eine wesentliche Stütze für die deutsche Konjunktur. In der Addition der Jahre 2020 und 2021 legten die Bauinvestitionen im Baugewerbe preisbereinigt um 3,2 % zu. Nun stehen die Zeichen auf Kehrtwende.

mehr lesen

Fünf vor zwölf?

Fünf vor zwölf?

Die Bauindustrie ist eine der treibenden Motoren für unsere Konjunktur: Mehr als zehn Prozent des deutschen BIP werden für Baumaßnahmen verwendet. Besonders der Wohnungsbau florierte in der letzten Dekade – mit jährlichen Wachstumsraten im zweistelligen Bereich. Kein Wunder, denn die Finanzierungskonditionen waren attraktiv, die Realeinkommen stiegen und auch der Arbeitsmarkt entwickelte sich positiv. All das führte dazu, dass seit dem Ende der Finanzkrise die Zahl der genehmigten Wohnungsneubauten in Deutschland einen stetigen Anstieg verzeichnete, während sich der Preisindex für die Immobilien in diesem Zeitraum fast verdoppelte.

mehr lesen

Luxusgut Energie

Luxusgut Energie

Ach, waren das noch Zeiten, als man sich noch über die Maskenpflicht aufgeregt, nach Lockerungen gesehnt und auf der Suche nach etwas Normalität insgeheim die auferlegten Kontaktsperren missachtet hat. Seit dem Beginn des Ukraine-Krieges scheint das Thema „Corona“ kaum eine Rolle zu spielen. Nun dreht es sich nicht mehr um einen kleinen, unsichtbaren Feind, der manch einen Aluhutträger zu wilden Theorien und  rhetorischen Höchstleistungen motivieren konnte. Die Gefahr ist nun konkreter.

mehr lesen

Im Pyjama zur Höchstform

 Im Pyjama zur Höchstform

Als Anfang 2020 die Corona-Erkrankungswelle auch nach Europa geschwappt ist, wusste noch niemand, wie radikal die Pandemie unser aller Leben verändern wird. Mit den steigenden Fallzahlen wurden Maßnahmen beschlossen, die zu drastsichen Einschnitten in unserem Alltag führten. Nun sind fast alle Corona-Regeln weggefallen, die pandemieerschöpfte Bevölkerung übt sich in Normalität.

mehr lesen