Kürzlich erreichte mich die Meldung, dass ein mir bekanntes Unternehmen, das innovative Maschinen für die Baustelle entwickelt, beim zuständigen Amtsgericht Insolvenz anmelden musste. Acht Jahre nach der Gründung konnte der Technologieanbieter das prognostizierte Geschäftswachstum nicht erreichen. Auch wenn es durchaus Chancen gibt, dass im Rahmen des Konkursverfahrens Investoren für die Umsetzung eines Sanierungsplans gefunden werden können, zeigt dieser Fall das Manko vieler junger Unternehmen mit Visionen: Sie scheitern oft, weil sie ihrer Zeit voraus sind.
Dabei benötigt der Bau mehr als viele andere Branchen eine Frischzellenkur durch mutige Ideen. Auf dem Weg in die Zukunft der Bauwirtschaft werden kluge Tools und Methoden benötigt, um ressourcenschonendes, klimagerechtes Bauen in Zeiten von Personalengpässen und hohem Produktivitätsdruck zu ermöglichen. Die Corona-Zeit hat das Digitalisierungsdefizit vieler konservativ agierender Baubetriebe schonungslos offengelegt. Verständlich, denn warum Geld in die Hand nehmen, wenn die gute konjunkturelle Lage Unternehmen über Jahre hinweg schwarze Zahlen beschert? Die Hoffnung machte sich breit, dass Covid-19 zum Treiber der Digitalisierung im Baugewerbe werden würde. Tatsächlich haben laut einer damaligen Mittelstands-Studie über ein Drittel der Bauunternehmen schnell ihre wichtigsten betriebsrelevanten Abläufe digitalisiert. Doch der erwartete große Schub der Transformation blieb aus – auch weil es den Unternehmen an Expertise und Fachkräften dafür mangelt. Dabei gibt es eine Reihe von Innovatoren und Start-ups im Bauwesen, für die „Bauen 4.0“ keine bloße Nachahmung des Begriffs „Industrie 4.0“ ist, sondern greifbare Realität. Dass das Angebot an digitalen Lösungen vorhanden ist, zeigen zahlreiche Veranstaltungen und Messen. So präsentierten auf der zurückliegenden digitalBAU 277 Aussteller aus 16 Ländern Produkte aus allen Bereichen der Branche.
In der Praxis beschränken sich die Baufirmen jedoch oft auf die Integration simpler digitaler Insellösungen, bspw. zur Baustellendokumentation und -organisation. Sobald es jedoch darum geht, komplette operative Prozesse zu optimieren oder neue digitale Produkte wie Laserscanner oder Virtual Reality einzuführen, mangelt es oft an der digitalen Kompetenz der Mitarbeiter. Die Berater der Start-ups verzweifeln daher oft an ihren Bemühungen, die Baubranche für die Potenziale der Digitalisierung zu sensibilisieren. Die Arbeit ähnelt oft einer Missionierung, insbesondere bei digitalen Neulingen, denen das grundlegende Wissen für die Umsetzung neuer Technologien fehlt. Das Angebot trifft auf eine fehlende Nachfrage, da die Geschäftsidee – selbst bei klar definiertem Nutzen aus Sicht der Zielgruppe – zu früh vermarktet wird. Hinzu kommt die aktuelle Krise, die in der Start-up-Szene für gedrückte Stimmung sorgt. Die Kapitalgeber reduzieren ihre Investitionen und zeigen weniger Geduld, eine Idee bis zur Rentabilität zu begleiten. Nachdem das Jahr 2021 branchenübergreifend Rekorde bei Neugründungen verzeichnete, ist nun ein Abwärtstrend zu beobachten. Da die Finanzierungsrunden nun weniger ergiebig sind, stehen die Gründer unter größerem finanziellen Druck, mit begrenzten Mitteln auszukommen.
Verschiedene Erhebungen legen nahe, dass mehr als 80 % aller Jungunternehmen innerhalb von drei Jahren den Geschäftsbetrieb aufgeben müssen. Großartige Produkte werden eingestellt, weil der Markt, den sie bedienen sollten, in der Kürze der Zeit den Nutzen nicht verstanden hat. Nur gut, dass die Startup-Runway von Automobilpionier Carl Benz lang genug und die PR-Aktionen seiner Frau wirkungsvoll genug waren, damit sein „Motorwagen“ nicht nur ein Hirngespinst blieb. Die Geschichte der Mobilität wäre dann wohl anders verlaufen.
Autor: Paul Deder