Der Immobilienmarkt hat mit einer schwierigen Gemengelage zu kämpfen. Zum einen sind da die potenziellen Käufer, die trotz unterirdischer Rahmenbedingungen den Traum von den eigenen vier Wänden noch nicht aufgegeben haben. Nur sehr langsam kommt die Erkenntnis, dass sie sich bei der Wahl der Wunsch-Immobilie in Bescheidenheit üben müssen. Denn die Hoffnung, dass die Häuserpreise mangels potenter Abnehmer ins Bodenlose sacken, bleibt vorerst unerfüllt. Viele Verkäufer, die Anfang 2022 noch den Preis bestimmen konnten, sind nach wie vor nicht bereit, deutliche Abschläge für ihre Immobilien zu akzeptieren. Nach der Preiskorrektur für Bestandsobjekte aufgrund des Zinsanstiegs im letzten Jahr hat sich die Abwärtsbewegung der Immobilienpreise inzwischen spürbar verlangsamt.
Der Markt sucht also noch nach seinem Gleichgewicht. Zwischen den Altbeständen aus der Nachkriegszeit und den neuen Häusern und Wohnungen klafft eine erhebliche Preislücke. Unsanierte Objekte verlieren aufgrund ihrer hohen Energiekosten, der CO2-Besteuerung, den verschärften gesetzlichen Vorgaben (GEG) und dem Mangel an Handwerkern zunehmend an Attraktivität. Im Gegensatz dazu steigen die Baukosten im Neubaubereich unbeeindruckt weiter an: Im August 2023 haben sich die Preise für den Neubau konventionell gefertigter Wohngebäude um 6,4 % gegenüber August 2022 erhöht. Als Kaufinteressent hat man somit die Qual der Wahl: Entweder lässt man sich auf das Abenteuer Bestandsimmobilie ein, inklusive verpflichtender Sanierungsmaßnahmen und Folgekosten in unbestimmter Höhe, oder man „gönnt“ sich – Finanzierungsfähigkeit vorausgesetzt – einen überteuerten Neubau. Es gibt auch eine dritte Option: Gänzlich auf den Kauf eines Eigenheims verzichten und darauf hoffen, dass angesichts der aktuellen Mietpreisentwicklung am Ende des Geldes stets noch etwas Monat übrig bleibt.
Wie stark der Immobilienmarkt unter Druck steht, wird zunehmend auch für Projektentwickler spürbar, die Wohnquartiere und Bürogebäude vom Grundstückserwerb bis hin zum Verkauf oder zur Vermietung realisieren. Das Tempo und Intensität der Krise haben viele von ihnen kalt erwischt. Auf Nachfrageanstieg und hohe Erlöse folgten innerhalb kürzester Zeit rekordverdächtige Materialkosten und steigende Zinsen, wodurch die Vermarktung der Objekte ins Stocken geriet. Die daraus folgenden Liquiditätsengpässe haben die einstigen Boom-Profiteure wie Gerch, Development Partner, die Project-Immobilien-Gruppe oder die Düsseldorfer Centrum Holding in die Insolvenz getrieben. Niklas Köster, Professor für Immobilienwirtschaft an der Fresenius-Hochschule in Hamburg, geht sogar davon aus, dass der Branche eine umfassende Marktbereinigung noch bevorsteht. In einem Gespräch mit dem Handelsblatt wagte er eine dramatische Prognose: Seiner Meinung nach werden in den nächsten Jahren etwa 20 bis 30 % der kleinen und mittelständischen Projektentwicklungsunternehmen vom Markt verschwinden. Auch die ganz Großen können durch die Marktsituation in Bedrängnis geraten, wie das aktuelle Beispiel aus Hamburg zeigt. Im Oktober wurde die Baustelle des Elbtowers aufgrund ausbleibender Rechnungszahlungen des Bauherrn Signa Prime Selection – einer Gesellschaft des Immobilientycoons René Benko – stillgelegt. Risikoreiche Grundstückskäufe und unternehmerische Fehlentscheidungen lassen sich eben nicht mehr so einfach durch kontinuierlich steigende Immobilienpreise ausgleichen. Unattraktive Zinsen, Abwertung der Bestandsimmobilien in den Büchern sowie fehlende Käufer und Mieter können selbst für große Akteure das finanzielle Aus bedeuten.
(Autor: Paul Deder)