zum Newsletter anmelden
 

Paradigmenwechsel

Die Kuh ist vom Eis. Nach monatelangem Streit zwischen den Ampel-Parteien, hitzigen Diskussionen auf den medialen Bühnen und großer Verunsicherung bei Eigentümern und Mietern hat der Bundestag das sogenannte Heizungsgesetz mit einer Mehrheit verabschiedet. Ab 2024 müssen in den meisten Neubauten Heizungen mit 65 % erneuerbarer Energie eingebaut werden, und auch für andere Gebäude ist der schrittweise Umstieg auf klimafreundliche Heizungen eingeläutet.

Spätestens mit dieser Weichenstellung ist eine grundlegende Transformation der Heizungsindustrie eingeläutet. Über Jahrzehnte haben deutsche Hersteller Kompetenzen bei konventionellen Heizsystemen aufgebaut, insbesondere bei Erdgas-betriebenen Brennwert- und Niedertemperaturkesseln. Doch beim aktuellen Technologiewandel weg von fossilen Brennstoffen wie Öl und Gas und hin zu elektrischen Wärmepumpen verliert die bisher vorherrschende mechanische Wertschöpfung zunehmend an Bedeutung. Der Takt wird nun von globalen Playern vorgegeben, die seit vielen Jahren im Wärmepumpenmarkt federführend sind – Hersteller aus China, Japan, Südkorea und den USA, die ihr Know-how rund um diese Zukunftstechnologie nun nutzen könnten, um sich auch auf dem europäischen Markt zu etablieren. Mit der Übernahme der vielversprechenden Viessmann-Wärmepumpen-Sparte vom US-Konkurrenten Carrier Global ist ein erster Schritt getan. Das Prinzip des „umgekehrten Kühlschranks“ schlägt deutsche Ingenieurskunst.

Eine ähnliche Entwicklung findet auch in der Autoindustrie statt – Deutschlands bedeutendstem Industriezweig. Der Stolz einer ganzen Nation und der unangefochtene Exportschlager läuft nämlich Gefahr, zum Ladenhüter zu werden, weil die etablierten deutschen Hersteller mangels unternehmerischer Weitsicht und Fehleinschätzung der Markttrends zu lange an der Verbrennertechnik festhielten. Mit Händen und Füßen hat sich die Autoindustrie und Politik gegen die E-Mobilität gestemmt. Das von den Platzhirschen künstlich erzeugte Vakuum haben andere gefüllt – mit Kusshand. Newcomer wie Tesla etwa, der sich innerhalb einer Merkel-Amtszeit vom Spottobjekt zum weltweit führenden Hersteller von Elektrofahrzeugen und wertvollsten Automobilhersteller emporgearbeitet hat. Innerhalb von wenigen Jahren war der Branchenschreck als Marke bei uns integriert und hat die heimische Autoindustrie auf eigenem Boden auf die Plätze verwiesen – auch weil sich Tesla selbst um die Ladeinfrastruktur gekümmert hat. Ein Weckruf mit Folgen, denn die Branche mit Benzin im Blut hat sich vom Standstreifen auf die Überholspur gesetzt und holt kräftig auf.

Dies sind Beispiele, die verdeutlichen, wie wichtig es ist, gelegentlich Abstand von der Routine zu nehmen und der Zukunft mit wachem Blick zu begegnen. Die Bauwirtschaft erlebt heute einen tiefgreifenden Wandel, der nicht nur den Klimaschutz und die Nachhaltigkeit betrifft. Die gesamte Branche wird von Trends wie der demokratischen Entwicklung im Land, einem akuten Fachkräftemangel sowie der fortschreitenden Digitalisierung und Automatisierung beeinflusst. Angesichts der sich verschärfenden Baukrise stehen die Akteure im Bauwesen mehr denn je vor der Herausforderung, innovative Lösungen und Verfahren zu entwickeln, um ihre Produktivität zu steigern. Ähnlich wie in der „Industrie 4.0“ können durch die Vernetzung der verschiedenen Gewerke und Maschinen Prozesse optimiert werden. Die Industrialisierung des Bauens im großen Maßstab und die Verlagerung der Wertschöpfung von der Baustelle in die Fabrik sind unausweichliche Entwicklungen. Die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, dass man sich nicht auf die Politik verlassen kann. Die Branche muss das Tempo der Transformation selbst vorgeben.

(Autor: Paul Deder)

Weitere Artikel:

Stürmische Zeiten

Stürmische Zeiten

Der Immobilienmarkt hat mit einer schwierigen Gemengelage zu kämpfen. Zum einen sind da die potenziellen Käufer, die trotz unterirdischer Rahmenbedingungen den Traum von den eigenen vier Wänden noch nicht aufgegeben haben. Nur sehr langsam kommt die Erkenntnis, dass sie sich bei der Wahl der Wunsch-Immobilie in Bescheidenheit üben müssen. Denn die Hoffnung, dass die Häuserpreise mangels potenter Abnehmer ins Bodenlose sacken, bleibt vorerst unerfüllt. Viele Verkäufer, die Anfang 2022 noch den Preis bestimmen konnten, sind nach wie vor nicht bereit, deutliche Abschläge für ihre Immobilien zu akzeptieren. Nach der Preiskorrektur für Bestandsobjekte aufgrund des Zinsanstiegs im letzten Jahr hat sich die Abwärtsbewegung der Immobilienpreise inzwischen spürbar verlangsamt.

mehr lesen

(Un)pünktlich wie die Bahn

(Un)pünktlich wie die Bahn

Mitten in der Ferienzeit weckt ein aktueller Werbespot der Deutschen Bahn Lust auf Reisen. Ein breit grinsender, tiefenentspannter Bahnkunde lehnt sich zurück, schließt die Augen und genießt den Trip. „Weg von den Überstunden, weg vom Stau“ – Eine Bahnfahrt als unvergessliches Erlebnis mit magischen Landschaften außen und dem Komfort eines Fernzugs innen. Der Weg ist das Ziel! Die Realität sieht allerdings oft anders aus: Würde man den Schauspieler gegen einen echten Kunden austauschen, dann wäre sein Lachen eher hysterisch – als Ausdruck einer akuten Belastungsreaktion kurz vor dem Nervenzusammenbruch.

mehr lesen

Alibi-Programm

Alibi-Programm

Zwölf Jahre lang haben zahlreiche Akteure von der guten Baukonjunktur und boomenden Immobilienbranche profitiert. Seit dem zweiten Quartal 2022 ist die Party vorbei: Aus dem Verkäufer- ist ein Käufermarkt geworden, trotz des massiven Wohnraummangels sinkt die Nachfrage nach Wohnimmobilien spürbar. Der Auftragsbestand der Bauunternehmen schmilzt dahin, die Bauträger sind auf einmal gezwungen, Kaufinteressenten zu umwerben und auch für die ominösen Möchtegern-Makler, die sich trotz fehlender Fachkompetenz jahrelang die Taschen vollstopfen konnten, ist der Immobilienverkauf als Selbstläufer passe.

mehr lesen

KI: Chance oder Risiko?

KI: Chance oder Risiko?

Wir Menschen sind Perfektionisten – eine Eigenschaft, die aus evolutionärer Sicht  von entscheidender Bedeutung ist. Einst erreichte Standards werden immer und immer wieder in Frage gestellt, um die Latte für die Lebensqualität höher zu legen. Das hat dazu geführt, dass wir heute in einer völlig anderen Welt leben und sogar gerade dabei sind, künstliches Leben zu erschaffen. Wird die Künstliche Intelligenz (KI) zum Gamechanger oder droht uns eine digitale Revolution, die die Welt ins Chaos stürzt?

mehr lesen

Melkkuh der Nation

Melkkuh der Nation

Wir haben die Übeltäter! Endlich steht fest, wer für die verfehlten Klimaziele geradestehen und den radikalen Gesellschaftsumbau finanzieren muss. Nachdem der Gebäudesektor bei den erlaubten Jahresemissionsmengen erneut in rote Zahlen gerutscht ist, müssen die Immobilienbesitzer notfalls mit Brachialgewalt auf den vorgesehenen Dekarbonisierungspfad gebracht werden. Förderprogramme und Marktanreize? Sind teuer und der Erfolg ist schlecht planbar. Wer sich ein Haus leisten kann, sollte auch das nötige Kleingeld haben, um die klimapolitischen Versäumnisse der Großen Koalition auszubaden.

mehr lesen

Augen zu und durch?

Augen zu und durch

Blickt man auf die baukonjunkturelle Lage in der Republik, dann stellt man sich zwei Fragen: Kommen die relevanten Branchenindikatoren beim Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen an und wenn ja – wann ist mit dem Erwachen des größten Bauherren Deutschlands aus der Lethargie zu rechnen? Es ist nämlich nicht lange her, dass die Ampel-Koalition sich heroisch auf die Brust schlagend versprach, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen. Fertiggestellt wurden im vergangenen Jahr rund 275.000 Wohneinheiten, etwa 250.000 sind für 2023 zu erwarten.

mehr lesen

Überreguliert

Überreguliert

Kurz nach Kriegsbeginn in der Ukraine haben wir Geflüchtete aus Odessa in unserem Haus aufgenommen. Die dreiköpfige Familie, die wenige hundert Meter von einem Militärstützpunkt entfernt lebte, hat bereits in der ersten Nacht des Angriffs die volle Brutalität des Krieges hautnah miterlebt. Bei uns angekommen, fanden sie schließlich den herbeigesehnten Schutz eines freiheitlichen Rechtsstaates. Doch schon beim ersten Behördengang wurde uns klar, dass die suggerierte, grenzenlose Solidarität am Bürokratie-Fels des staatlichen Verwaltungsapparates zu zerschellen droht.

mehr lesen

Vom Boom in die Vollbremsung?

Vom Boom in die Vollbremsung

Die Konjunktur ist ein Auf und Ab. Mal geht es volkswirtschaftlich nach oben, mal tritt eine konjunkturelle Abkühlung ein. Nach zehn Jahren BIP-Wachstum in Folge ging 2020 die Wirtschaftsleistung Deutschlands erstmals zurück. Doch nicht im Bauhauptgewerge: hier stieg der Jahresumsatz um 4,9 % gegenüber dem Vorjahr, ein Jahr später gab es eine weitere Steigerung um immerhin 1,0 %. In der Krise hat sich unsere Branche erneut als widerstandsfähig gezeigt, doch der diesjährige toxische Mix aus Preissteigerungen, Lieferschwierigkeiten, Zinserhöhungen und steigenden Lebenshaltungskosten für die Verbrauchen bringt nun auch die Bauwirtschaft ins schwierige Fahrwasser.

mehr lesen